Montag, 18. April 2016

Konzert-Kritik: Pianist

Fabian Müller, 12.4.2016
Pianosalon Christophori


Der Pianist Fabian Müller erklärt dem Publikum zu Beginn des Konzertes seine Intention für den heutigen Abend. Er hat sich auf Stücke konzentriert, die allesamt als Thematik die Natur haben. Das Thema "Im Freien" stellt heute, wie auch auf seiner neuerschienenen CD "Out of Doors" sein zentrales Interesse dar. Die Komponisten der folgenden Stücke haben allesamt das "Draußen" beschrieben.

Zuerst ein Auszug aus dem Zyklus Miroirs von Maurice Ravel. Dazu stellt ihm der Salon den Flügel von Mme Peugeot, der Marke Erard zur Verfügung. Die weiche, natürliche Klangfarbe des Erard Flügels aus dem 19. Jhdt. verleiht den Stücken zusätzlichen Charakter. Vor allem dem ersten Stück, "Nachtfalter", verleiht Müller eine wirklich plastische Form, der Falter flattert förmlich im Saal herum, wenn Müller die vertrackten Melodiekombinationen Ravels zum Erklingen bringt. Die unglaubliche Wendigkeit des Pianisten beeindruckt hier besonders. Schnell und wendig elegant wie ein Nachtfalter. Zusätzliches Knacksen und starke klangliche Kontraste zwischen den oberen und unteren Oktaven des alten Erard Flügels geben diesen impressionistischen Werken Ravels unerwartete Tiefe. Die Kompositionen bekommen dadurch, um sie mit Bildern zu vergleichen, klarere Konturen, extreme Schärfe und eine besonders warme, starke Tiefe.

Fabian Müller ein Typ, der unerhörte Wendigkeit am Klavier zeigt und auch eine sehr humorvolle Art mitbringt. Die Geschichten, die er dem Publikum zu den Stücken erzählt, machen Lust auf mehr. Er könnte ruhig noch mehr Details aus den Notenheften bzw. aus seinen Forschungen erzählen. 

Jedoch, die traurige Seite, die in dem 2. Stück "Traurige Vögel" verlangt wird, bringt er nicht so klar zum Ausdruck. Ich habe die traurigen Vögel leider nicht hören können! Dafür dann das "Morgenständchen eines Narren" - die Rhythmik des Stückes wieder total erfasst, und das packend genau!! 

Dann - Flügelwechsel. Ein moderner Bösendorfer 2,18m Flügel wird in den Vordergrund gerückt. Müller erzählt währenddessen die Hintergründe zu Messiaens folgendem Catalogue D'Oyseaux. Er berichtet über die Genauigkeit, mit welcher Olivier Messiaen die Notenblätter um naturalistische Details ergänzt hat - die Pfiffe einer Kurzzehenlerche sind da stellenweise gefordert, im Zusammenspiel mit wilden Attacken eines Turmfalken - und bereitet auf das zu erwartende Klangerlebnis vor.
Dank der brillanten Technik des Pianisten werden diese Vogel-Dialoge klar erkennbar. Man konnte direkt den Schrecken der Kurzzehenlerche bei der Attacke des Turmfalken miterleben. Glitzernd, perlende Töne im Kontrast zu hämmernd, stechenden Raubvogel-Stakkatos. Stellenweise bekam ich beinahe Mitleid mit der Kurzzehenlerche.

Gefolgt von einer Beethovensonate, der "Pastorale" in D-Dur. Auch hier geht er auf die Vergleiche mit Naturklängen ein, die Beethoven anscheinend unterbewusst in dieses Stück eingebaut hat. Die Melodiestimme am Ende des ersten Satzes hat Müller sehr roh, um nicht schon beinahe brutal, gefühllos zu sagen, gespielt. Da war leider nur wenig von dem Anstrich einer "Wiener Klassik" zu hören. Auch im zweiten Satz eine eher aufdringliche Art Beethoven zu spielen. Diese etwas vordergründige, übertriebene Art war nicht so nach meinem Geschmack. Etwas weicher hätte es mir besser gefallen. Wahrscheinlich hat es an diesem schnellen Flügelwechsel gelegen. War es  ein wenig zu schwierig nach dem alten Erard Flügel sich auf die zarte, sensible Klaviatur des modernen Bösendorfer-Flügels ein- bzw. umzustellen. 

Bei Bartók begeistert er dagegen wieder. Wieder das Thema "draußen". Diese sehr modernen Stücke des Ungarn hat er auch wieder sehr plastisch dargeboten. Wie angekündigt nutzte er hier das Instrument als perkussives Schlaginstrument. Richtig zackig und schnell springt er über die Klaviatur. Besonders das Stück "Hetzjagd" fasziniert unter seinen Händen.

Das Publikum war richtig begeistert und Fabian Müller ließ sich zu einer Zugabe hinreissen. Ein ähnlich perkussives Stück, die Etüde No.9 von Rachmaninov, auch genannt orientalischer Marsch. Wieder Brillant. Diesmal bewies er auch noch die bislang fehlende "klassische" Note - und ließ die von Rachmaninov geforderte weiche Eleganz in dem Stück strahlen! Applaus!!!


Hier der Flügel von Mme Peugeot, den Müller für seine ersten drei Stücke aus Miroirs von Ravel herangezogen hat. Rechts im Hintergrund der Bösendorfer, auf dem er für den Rest des Abends spielte.

Mittwoch, 6. April 2016

Konzert-Kritik: Duo Abend Geige/Klavier

5.April, 2016
Klaviersalon Christophori, Berlin
Noé Inui & Mario Häring

Die beiden wollen gleich zu Beginn zeigen, was sie drauf haben und starten sehr schwungvoll und dynamisch in die Violinsonate No.3 Op.12 von Ludwig van Beethoven. Teilweise schwappt das Wasser etwas über und man merkt an manchen Stellen die rhythmische Akzente noch etwas wackeln. Doch gleich bei der Wiederholung des ersten Satzes wirkt das Ganze gefestigt, sehr stark und selbstbewusst. Man merkt ihnen den Spass am Spielen an. Zwar keine Meister, doch auf ihrem. Weg dorthin.

Dann eine Ankündigung des Pianisten Mario Häring: Motivation der beiden sei es, in Krisenzeiten wie heute, eine europäische Identität musikalisch festzumachen. Sie bringen dazu Werke zur Aufführung, die allesamt von europäischen Komponisten rund um den 1. Weltkrieg entstanden sind und wollen so ein europäisches Stimmungsbild einfangen, welches uns heute zur Identitätsfindung helfen kann.

Mit düsterer Kriegs-Stimmung geht es auch gleich los. Eine Violinsonate von Erwin Schulhoff. Ein mir bis dato unbekannter Komponist mit deutsch-böhmischen Wurzeln. Gleich zu Beginn, sehr dunkle Klangfarben. Dann folgen überraschender Weise einige, an Gershwin erinnernde, schwungvolle Momente. Und darauf sehr lange, zarte, hohe Töne der Geige. Gleichzeitig eine sehr kräftige Melodieführung von Noé Inui. Hier sehr beständig, mit viel Durchhaltekraft und schönem Leidensausdruck auf der Geige. Er konnte das Publikum dabei richtig in seinen Bann ziehen. Dazu auch viel Kraft am Bösendorfer Flügel, sehr trockener, angenehmer Klang, ohne viel Hall-Effekt.
Das Ende der Sonate, fast schon südamerikanisches Temperament. Oder sind es Zigeuner Klänge? Jedenfalls ungewöhnlich schwungvoll für einen Zentral-Europäer, dieser Schulhoff. Und wie geschaffen für unsere beiden Künstler. Die Aufführung machte Lust auf mehr von Erich Schulhoff. Die beiden sollten sich darauf konzentrieren, denn er liegt ihnen mmn. sehr.

Das Publikum war weiter gespannt.. Aber dann kam die (einzige) Violinsonate von Leos Janacek - mächtige Akkorde und starke Naturklänge als Melodien. Das Geigenspiel von Inui ist hier viel zu weich. Sofort verfliegt die Spannung im Saal und das Zusammenspiel von Geige und Klavier klafft manchmal richtig auseinander. Die Melodien der Geige von Janacek werden nicht richtig greifbar für den Hörer. Die angesprochene, gesuchte europäische Identität verschwimmt gerade ein wenig. Ein sehr hoher Anspruch auch. Ein sehr vielschichtiges, wildes Stück - jazzartige Sequenzen, dann atonales Gehämmer dicht gefolgt von kitschiger Neue-Welt-Romantik - sehr schwierig einzufangen. Mein Eindruck war, die beiden haben sich dabei ein bisschen übernommen.
Jetzt lag es ganz an ihnen, den Zuhörer wieder einzufangen. Man merkte - das Publikum hofft. Nervosität. Spannung im Raum, ein paar Gläser klirren, als sie in den Zuschauerreihen umgestossen werden. Am Betonboden in diesem alten Seitenflügel der Fabrikshalle, wo auf der Bühne, hinter dem eigentlichen Konzertflügel, lässig ein paar alte Flügel herumstehen. Lockere Stimmung hier in Berlin.

Dann die ersten zarten Melodien der Violinsonate No.2 von Ravel. Mario Häring und Noé Inui at their best. Da war sie wieder, die Spannung, die Leidenschaft ! Die Harmonie des Konzert-Duos war mit einem Mal auf der Bühne wieder da. Fantastisch dichtes Zusammenspiel der beiden bestaunte und beruhigte die Zuschauer. Wie wenn die spanische Nationalmannschaft mit ihren Gegnern Ticitaca im Europafinale spielen, wie wenn Franz Beckenbauer und Pele blind am Fussballfeld einander zupassen, zackig und gewitzt, mit Humor und Finesse. Und jeder Pass sitzt, kommt dort an wo er erwartet wird. 
Der zweite Satz von Ravel, eine Persiflage über den Blues, einfach zauberhaft. Inui schlägt die ersten Pizzicato Akkorde, völlig losgelöst, an, Häring setzt gefühlvoll dazu ein und jede einzelne Note war fühlbar, fand Anklang beim Publikum ! Die 20er Jahre Europas waren spürbar, wie wenn das Publikum auf einmal in eine Zeitmaschine gesetzt wurde; wir sassen plötzlich in einem Burlesquetheater - verrauchte, verruchte Atmosphäre, witzige Tanz- und Showeinlagen. So stark wirkte die Musik. Eine wunderbare Leistung des Geigers Noé Inui, der hier hervorzuheben ist. Die sensible Zurückhaltung des Pianisten und dessen Hervorstechen wiederum in den richtigen Momenten zeichnete die Gesamt-Stärke des Duos aus.

Danach Szymanowsky - Nocturne und Tarantella. Technisch wiederum sehr anspruchsvoll.
Leider auch hier, wie bei Beethoven, meiner Meinung nach eine Klasse zu hoch für das junge Duo. Persönlich wirkte das Ganze auf mich teilweise etwas zerstückelt und etwas holprig. Irgendwie unübersichtlich. Vielleicht lag es aber auch an der Komposition selber. Wahrscheinlich auch der organisatorische Umstand Schuld, dass ein derart kompliziertes Stück zum Schluss eines Abend-Programms gespielt wird. 
Wie gesagt, vielleicht wäre eine einfachere, klarere, weniger breit gefächerte Programm-Zusammenstellung besser gewesen, um die europäische Identität so noch schärfer herausgearbeitet zu bekommen.

Danach wurden von Inui, der wie sein Bühnen-Partner Häring einen sehr sympathischen Eindruck machte, zwei Wiener Lieder als Zugabe angekündigt. Versöhnliche Klänge also zum Abschluss. Leider beide Male vom Blatt gespielt - ein absolutes "No-Go" für Stücke des Violin-Virtuosen Fritz Kreisler, der selber angeblich nur schlecht vom Blatt spielen konnte. Da war dann die Sponataneität, Authentizität einer zünftigen Heurigen-Atmosphäre nicht spürbar. Zwar schien dann und wann die gemütliche, Alt-Wiener-Eleganz eines Hans Mosers durch, doch wären vielleicht etwas dunklere, oder auch etwas witzigere Töne angebracht gewesen. Plötzlich irgendwie zu kitschig das Ganze.

Ein alles in allem aber sehr interessanter Abend mit neuen, besonderen Klangeindrücken und einem sympathischen Duo im Klaviersalon Christophori.

Auf dass der Erfolg den beiden nicht zu Kopfe steigt und dass sie weiter neue, "alte" Stücke auf diese Bühnen der Welt bringen. Der Pianist Mario Häring tritt übrigens am 5. Juni mit dem 2. Klavierkonzert von Rachmaninov in der Berliner Philharmonie auf.